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ARD-Serie „Unser wunderbaren Jahre“: Wie man Historie divers einseift

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Generationen kommen und gehen, das Werk bleibt. Das ist die Devise der Patriarchin Christel Wolf (Katja Riemann). Die NS-Zeit und die Befreiung hat man mitgemacht, im Wirtschaftswunder ging es wieder aufwärts, wenn auch der Suizid des Direktors dazwischenkam. Schuldig ist man geworden. Wer nicht? So hieß es schon in der ersten Staffel von „Unsere wunderbaren Jahre“ nach dem gleich­namigen Generationenporträt von Peter Prange. Hart wie Kruppstahl war man eben. Die metallverarbeitenden Wolf-Werke im sauerländischen Altena wollten überleben, und so fertigte man Stacheldraht für KZs.

Während andere in Altena, wo nach dem Krieg ein einziger Jude wieder Quartier zu nehmen suchte, mit der Vergangenheit schweigend spielend fertig wurden, oder über die „Rattenlinie“ nach Argentinien flohen wie Altnazi Walter Böcker (Hans-Jochen Wagner), nahm sich der Lenker der Wolf-Geschicke das Leben. Die erste Staffel von „Unsere wunderbaren Jahre“ spielte Anfang der Fünfzigerjahre, wurde inszeniert von Elmar Fischer und war 2020 ein Quotenerfolg.

Über-Emotionalisierung ist keine gute Idee

Zeitgeschichte nicht nur persönlich gespiegelt zu erzählen, sondern zu emotionalisieren, ist das Rezept vieler solcher Produktionen, die früher als „Event“-Dreiteiler auftauchten und nun, in einer Mogelverpackung in gleicher Länge und Erzählstruktur als sechsteilige Serie, beeline ausgestrahlt mit jeweils zwei Fünfundvierzigminütern hintereinander, Aktualität behaupten. Geschichte persönlich zu verfilmen ist per se eine vermittlungswirksame Idee. Seifige Über-Emotionalisierung ist keine. Wie so etwas gut laufen kann, hat die ZDF-„Ku’damm“-Trilogie gezeigt, am eindrücklichsten in „Ku’damm 56“, den Filmen, die noch die Handschrift ihrer Erfinderin Annette Hess trugen.

„Unsere wunderbaren Jahre“ ist in vielem die Antwort der ARD auf „Ku’damm“. Beide Serien sind auch Familienunternehmensgeschichte, geographisch verankert. Wo in der einen Ruhrgebiet und Stahlbarone den Ton angeben, mithin Produktion und Produktionsbedingungen in den Blick rücken, ist es in der anderen der Dienstleistungssektor oder die Tanzschule als Spiegel gesellschaftlichen Wandels. Wo in der zweiten Staffel von „Unsere wunderbaren Jahre“ während der Rezession Ende der Sechzigerjahre dem Fachkräftemangel „Gastarbeiter“ Abhilfe schaffen sollen, mit deren Lebensweise man nichts zu tun haben will, sind in „Ku’damm“ neue Tanzstile wie der rebellische Rock ’n’ Roll unwillkommene Modeerscheinungen. Zumindest bei der eleganten Caterina Schöllack (Claudia Michelsen), für die die elegant-stocksteife Haltung der Magazine der Zeit Mittel der Verdrängung ist.

Es trieft vor Kalkül

In „Unsere wunderbaren Jahre“ könnte eine der drei Töchter der Patriarchin, Personalchefin Margot (Anna-Maria Mühe), bei Schöllack in die Haltungsschule gegangen sein. Fünfzehn Jahre sind vergangen, es wird nun um den Schah-Besuch und angle Folgen, die Revolte an den Universitäten, den 68er-Aufbruch und den zögerlichen Beginn von Aufarbeitung gehen. Wieder wird jedes Thema, jedes Ereignis restlos emotionalisiert. Margots rebellischer Sohn Winne (Damian Hardung) spielt neben Großmutter Christel die Hauptrolle und verkörpert den Aufbruch. Alt-Nazi Böcker kommt zurück und bringt mit der jungen Argentinierin Gabriela (Rocío Lutz), die vor den politischen Unruhen geflohen ist, internationales Flair nach Altena. Bürgermeister und Bauunternehmer Jürgen Vielhaber (Ludwig Trepte) gesteht einem schwarzen französischen Monsignore in einer rührseligen Lebensbeichte Ermordungen im Krieg und darf als Belohnung für die Bereitschaft zur Buße eine Brücke von Deutschland nach Frankreich bauen – eine Szene, die vor Kalkül trieft.

Christels andere Töchter Gundel (Vanessa Loibl) und Ulla (Elisa Schlott) müssen auf je eigene Weise den Zeitgeist verkörpern. Gundel, die Intelligente, ist über- und unterfordert mit ihrer Rolle als Nur-Hausfrau und Mutter eines Schreibabys (Erziehungstipps holt sie sich aus dem berüchtigten Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“) und flieht in eine Kommune in die Großstadt, wo sie Erfahrungen mit Psycho-Drogen macht. Ulla ist zu ihrer großen Liebe nach Ost-Berlin gezogen und verhilft währenddessen den Wolf-Werken zu einem neuen Großauftrag. Wieder geht es um Stacheldraht, dieses Mal für die DDR. In Altena, das 1967 angle 600-Jahr-Feier mit Schützenfest und Blaskapelle feiert, sprengt Winne mit Rock-Moves die Tanzfläche – bis Böcker dem aufsässigen Treiben mit einem Gewehrschuss ein Ende bereitet. Es gibt ein akademisches Paar, das vor dem Schah-Regime geflohen ist (Flüchtlingsthematik), es gibt einen Brand im Gastarbeiterheim (Fremdenfeindlichkeit), Frauen zeigen den Männern, wo Bartel den Most holt (Geschlechtergerechtigkeit), Lebensentwürfe werden infrage gestellt (Diversität).

Ab und an erinnern Archivaufnahmen historischer Nachrichten und Reportagen daran, dass es trotz allen Bemühens, Jetziges in historischen Kostümen aufzuführen, auch um die Rekonstruktion des damaligen Zeitgeistes geht. Mira Thiel (Headautorin und Regie) und Thomas Schiller (Kamera), Thomas Pfau (Szenenbild) und Peri de Braganca (Kostüm) kümmern sich redlich um Look und Gemütslage der Sechziger. Wieder einmal aber sieht es so aus, als ob Redaktionen von Anfang bis Ende hineinregiert haben. An den Schauspielerinnen und Schauspielern liegt der Schleier der Seifigkeit nicht. Emotionalisierung, Identifizierung und Wiedererkennung sind die Mittel „niedrigschwelliger“ Geschichtsvermittlung. An Erkenntnis hinterlassen sie so gut wie nichts.

Unsere wunderbaren Jahre läuft in Doppelfolgen am 11., 15. und 23. März. um 20.15 Uhr im Ersten und ist in der ARD-Mediathek abrufbar.

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